Ein deutscher Politiker, der gewählt werden will, muss sich nicht mehr nur um die deutschen Anliegen kümmern, sondern eben zum Beispiel auch um die der griechischen, belgischen oder irischen Bürger.
Die Idee fände ich sympathisch, denn diese Abbildung der nationalen Parteien auf internationale läuft dem Kerngedanken in der Tat zuwider: und lässt eben - wie du's sagst - genau jene Art von Nationalismus aufleben, die man im Wahlkampf indirekt oder direkt beobachten konnte, nämlich dass man deutsche Politiker nach Brüssel schickt damit diese dort deutsche Interesse umsetzen sollen. Davon ab, dass es solche Interessen nicht gibt - ein deutscher Arbeitgeber hat dezidiert andere Interessen als ein deutscher Arbeitnehmer - bedient es nur den nationalistischen Gedanken samt seiner Kleinkariertheit. Deutsche Politiker sollten sich nicht genötigt fühlen deutsche Interessen zu vertreten, den deutschen Wohlstand zu befördern, o.Ä. sondern auf EU-Ebene denken. Ein deutscher Politiker denkt - sofern er nicht auch in einem Landtag sitzt - wohl auch nicht in den Kategorien Sachsen, Saarland oder Nordrhein-Westfalen, von einem EU-Politiker erwarte ich, dass er von jedweder Verantwortung "seinem" Land gegenüber abgelöst wird: ansonsten is'n internationales Parlament voller nationaler Interessensvertreter absurd.
Ich glaube aber nicht, dass die Verantwortlichen das ausblenden können. Viele Politiker in Brüssel dürften über die jeweilige nationale Parteienpolitik so hoch aufgestiegen sein, dass man ihnen das Amt in Brüssel zugesteht, d.h. sie haben bereits den Leitspruch "Fürs Vaterland" verinnerlicht; das gilt leider quer durch's politische Spektrum. Selbst das linke Lager versteht sich kaum noch international. Versteh's aus pragmatischen Gründen auch: wer einige Jahre in Brüssel sitzt und dann in die Bundes- oder Landespolitik zurückkehrt, wird sich nicht vorwerfen lassen wollen er hätte ausländische Interessen über deutsche Interessen gesetzt. Im Amtseid den Bundesminister ablegen steht ja auch klar drin: "Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe." (Amtseid) Dem Wohle des deutschen Volks will er dienen; in den jeweiligen Landesverfassungen steht i.d.R. drin, dass man dem Wohle der jeweiligen Landesbevölkerung (Saarland, usf.) dient. Der Amtseid den die Abgeordneten leisten schließt es quasi aus, andere Interessen über die nationalen zu stellen. Man wird es der deutschen Bevölkerung auch nicht vermitteln können wenn ein deutscher EU-Abgeordneter deutsche Nationalinteressen verletzt, sowie man von ihm erwarten würde die Interessen anderer Nationen zu verletzen.
Müsste man mal wieder internationales Denken bewerben; der Gegenteil ist derzeit allerdings der Fall. Gab es in den 60ern, 70ern und 80ern durchaus Bürgerrechtsbewegungen und politische Bewegungen die international agierten, weil die Probleme international waren, so scheint Nationalismus heute wieder selbstverständlich. Und damit meine ich nicht die AfD, o.Ä. - es fehlen einfach die großen, internationalen Bewegungen die'n Gegenentwurf zu diesem "Zum Wohle des eigenen Volkes"-Gesülze, was quasi jede Nation leitet. Mit so'ner Grundhaltung kann man kaum vernünftig kooperieren. EU-Parteien bei der EU-Wahl wär'n Anfang den Horizont jenseits der eigenen Landesgrenzen zu erweitern. 
Zugegeben: wenn es dann irgendwann am Ende heißt "Zum Wohle der Bürger der EU", dann ist man auch keinen Schritt weiter. Dann ist's halt Nationalismus in Groß.
Was sagt ihr? Kriegen wir Neuwahlen?
Aus welchem Grund? Die Wahl soll das Parlament legitimieren; wenn sich die Mehrheit aber ohnehin nicht dafür interessiert ob sie aus Brüssel regiert wird oder nicht, dann ist's eigentlich egal wie stark die Legitimation ist. Die Wahl gibt's im Endeffekt für die Wähler, nicht für die Politiker. :p